Tages-Anzeiger; 27.08.2005; Seite 54
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Das 1. Internationale Loopfestival Zürich im Moods zeigte am Donnerstag, wie Menschen durch die Liebe zu digitalen Loopgeräten geeint werden.
Von Christoph Merki
Alles atmet Familiarität. Die im Halbstundentakt im Zürcher Moods auftretenden Einzelmusiker und Duos kommen zwar aus aller Welt, und doch scheinen sie sich untereinander zu kennen - eine kleine Familie, verbunden durch die eine grosse musikalische Passion: die Technik des Liveloopens. Fast kommt es einem angesichts der Soloartisten so vor, als ob die kultige Band New Bag des Luzerner Gitarristen Christy Doran (ihr Konzert war Aushängeschild des ersten Abends, beschloss diesen zugleich) den Rahmen des Festivals sprengen würde. Eine reibungslos funktionierende vierköpfige Gruppe. Vielleicht fast zu perfekt für diesen Abend! Sänger Bruno Amstad benutzt die kleinen digitalen Geräte, die den Kern des Festivals überhaupt ausmachen: Loopgeräte. Singt Amstad eine Sequenz, kann er diese mit dem Loopgerät unmittelbar aufzeichnen, in einer Endlosschleife beliebig oft wiederholen, über diesen Boden weitere Spuren legen: Der Musiker musiziert mit sich selbst.
Gerade eben ihre Arbeit mit Loopgeräten hatten in den ersten dreieinhalb Festivalstunden vor Doran auch die Einzelinstrumentalisten demonstriert. Jede halbe Stunde stand ein anderer Musiker auf der Moods-Bühne, der Zwiesprache mit seinem Loopgerät hielt: Und man glaubte, herauszuspüren, dass es eher diese mit ihren Gerätschaften dialogisierenden Einzelinstrumentalisten sind, die den Geist des erstmals in Zürich abgehaltenen kleinen Loopfestivals verkörpern als Dorans Gruppe, die sozusagen den Zuckerguss, nicht aber den Kuchen bildete.
Organisator Bernhard Wagner führte als Moderator durch den Abend - den ersten von dreien mit insgesamt rund 40 Musikern. Es wurde dabei klar, dass die agierenden Musiker ein Netzwerk bilden. James Sidlo, ein Musiker aus Texas, sagte um 22 Uhr die entscheidende Wendung: «Wir als Looper . . .» Ein Wir-Gefühl herrscht zwischen den Musikern. Auch ist eine Aufbruchstimmung spürbar. Die Loopmusiker wollen sich als «movement» begreifen.
Ob zu Recht? Vom musikalischen Kerngedanken her betreiben die Looper keineswegs etwas Neues. Der Loop (Schleife) ist ein uraltes musikalisches Verfahren. Nun geht es beim Loopfestival aber nicht nur um Loops, sondern um Liveloops. Und da wird es in der Tat interessant. Erst seit etwa zehn Jahren gibt es digitale Geräte, die bühnentaugliches Livelooping ermöglichen.
Es scheint im Moods, dass es weniger das musikalische Stilmittel der repetitiven Sequenz ist, welches die Looper zusammenführt, sondern vielmehr die blosse Existenz des Loopgerätes. Viele der Instrumentalisten begreifen ihre Muster mitnichten strikt, sie produzieren einfach das, was in ihren Gerätschaften angelegt ist. Ist ein solches Auflösen eines strikten, hermetischen Loopverständnisses nicht gerade der Vorzug dieser Liveacts? Manches, das zu hören ist, ist mit dem Gestus improvisierender Jazzer gespielt. Und natürlich ist es kein Zufall, dass die Schweizer Headliner des gesamten Festivals aus dem Jazz kommen: Christy Doran, Rätus Flisch und Christoph Grab.
Etwas Verspieltes strahlten die Musiker im Moods aus. Das begann schon mit dem Set des amerikanischen E-Gitarristen Michael Klobuchar, der das Festival eröffnete. Über meist zweitaktige Grundphrasen stülpt Klobuchar vielfältigste Sounds, Wah-Wah-Effekte, Geräuschcollagen. Die Live-loops ermöglichen etwas von der Magie des Augenblicks, die gerade für den Jazz bezeichnend ist. Bei den Liveloops ist die Musik nicht derart extrem an die Maschinen delegiert wie in der elektronischen Tanzmusik: Das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine ist neu, ist spannend definiert.
Der Abend zeigte auch, das Livelooping innerhalb einer breiten Stilpalette spielen kann. Die froh-beschwingten, von der amerikanischen Folkmusik inspirierten Töne Klobuchars klingen so ganz anders als die Soundscapes von Dark Room aus England. Sie klingen so anders als die in ihrer extremen Beiläufigkeit, Reduziertheit an LaMonte Young erinnernden rhythmisierten Halteklänge des Gitarristen James Sidlo. Klingen auch anders als die vom Deutschen Michael Peters aus einem Kofferradio geloopte Musik mit Geräuschen aus der Zürcher Radiolandschaft. Livelooping erscheint als ein Dietrich, der zu allen stilistischen Türen passt.
Als Manko des Liveloopings offenbarte sich im Moods aber, dass die von einem einzelnen Musiker evozierten Spuren sich kaum je derart schlüssig ineinander verzahnen wie im notierten amerikanischen Minimalismus. Für Passgenauigkeit sorgte aber am Ende doch noch Christy Dorans New Bag: Wenn die vier Musiker ihre Muster kombinierten, zeigte sich, dass die wirksamsten Loops immer noch jene sind, die auskomponiert wurden.